Heimatlos by Johanna Spyri
Autor:Johanna Spyri [Spyri, Johanna]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Herausgeber: buecher de
veröffentlicht: 2009-10-08T05:41:59+00:00
Neue Freundschaft, und die alte nicht vergessen
Am Morgen darauf stand die Wirtin unter der Haustür und schaute nach dem Wetter, und was sich etwa über Nacht ereignet habe. Da kam der Bursche der Frau Menotti dahergegangen. Dieser war zugleich Herr und Knecht auf dem schönen, frucht-reichen Gute der Frau; denn er verstand die Garten- und Feldarbeit, regierte und besorgte alles selbst. Er hatte es gut. Darum pfiff er auch fortwährend.
Als er nun vor der Wirtin stand, stellte er das Pfeifen ein und bestellte: wenn der junge Musikant von gestern noch nicht weiter sei, so solle er zu Frau Menotti herüberkommen, das Büblein wolle ihn noch einmal geigen hören.
»Ja, ja, wenn es der Frau Menotti nur nicht zu sehr eilt«, sagte die Wirtin, indem sie beide Arme in die Seite stemmte, zum Zeichen, daà sie keine Eile habe. »Vorderhand liegt der Musikant oben in seinem guten Bett und schläft noch tapfer, und ich gönne ihm seinen Schlaf. Frau Menotti könnt Ihr sagen, ich wolle ihn einmal vorbeischicken; denn er geht nicht weiter. Ich habe ihn auf- und angenommen; er ist ein verlassenes Waisenkind, das nicht wuÃte, wohin. Und nun ist er wohl versorgt«, setzte sie mit Nachdruck hinzu.
Der Bursche ging mit seinem Auftrag.
Die Wirtin lieà Rico ausschlafen; denn sie war eine gutmütige Frau. Nur dachte sie zuerst an den eigenen Gewinn und dann an den der anderen. Als Rico endlich von selbst erwachte, hatte er alle Müdigkeit ausgeschlafen und kam frisch die Treppe herunter.
Da winkte ihn die Wirtin in die Küche hinein, stellte eine groÃe Schale voll Kaffee vor ihn auf den Tisch und legte einen schönen, gelben Maiskuchen daneben. Dann sagte sie: »So kannst du's alle Tage haben, wenn du willst, und am Mittag und Abend noch viel besser; denn da kocht man für die Gäste, und da bleibt immer etwas übrig. Dann kannst du für mich allerlei Wege gehen und daneben geigen, wenn's nötig ist. Du kannst bei uns daheim sein, hast deine eigene Kammer und muÃt nicht mehr in der Welt umherziehen. Jetzt sage mir, ob du willst.«
Rico überlegte nicht lange und antwortete zufrieden: »Ja, ich will«; denn soviel konnte er ganz gut in der Wirtin Sprache sagen.
Nun ging sie mit ihm durch das ganze Haus, durch Scheune und Stall, in den Krautgarten und zum Hühnerhof. Von all den Plätzen aus erklärte sie ihm die Umgebung und die Richtung, wo es zum Krämer ging, zum Schuhmacher und zu noch anderen, wichtigen Leuten. Rico gab genau acht, und um ihn zu prüfen, schickte die Wirtin ihn gleich an drei oder vier Orte, allerhand Sachen zu holen, wie Ãl, Seife, Faden und einen geflickten Stiefel; denn sie hatte bemerkt, daà Rico einzelne Worte ganz gut sagen konnte.
Rico besorgte alles richtig. Das gefiel der Wirtin, und gegen Abend sagte sie: »Nun kannst du mit der Geige zu Frau Menotti gehen und dort bleiben, bis es Nacht wird.«
Darüber freute sich Rico sehr; denn auf dem Wege kam er an dem See vorbei und nachher zu den schönen Blumen.
Am See angekommen, lief er zu der kleinen Brücke und lehnte sich an das Geländer.
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